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Zeitungsausschnitte - eine Quelle für Vernetzungs-Geschichten

Informativer und inspirierender Online-Themenabend zur digitalisierten Zeitungssausschnittsammlung des SWA und zur Basler Stadtgeschichte.

Unter dem Titel "Basler Geschichte im Zeitungsausschnitt - die digitalisierte Zeitungsausschnittsammlung des SWA und konkrete Forschungsfragen" fand am 18.11.2020 der traditionelle Themenabend des Schweizerischen Wirtschafts-Archivs (SWA) statt.

Dem Zeitgeist ensprechend wurde die Veranstaltung über die Videokonferenz-Software "Zoom" abgehalten. Über 30 Personen folgten der Einladung und diskutierten aktiv mit.

Das neue Rechercheportal Zeitungsausschnitte

Das SWA macht aktuell grosse Schritte in seiner Digitalisierungsstrategie, wie SWA-Leiterin Irene Amstutz erläuterte. Ein neues Rechercheportal erlaubt die Suche in den digital vorliegenden Zeitungsausschnitten.

Das sind einerseits fast 200'000 Zeitungsausschnitte, die seit 2013 in elektronischer Form gesammelt wurden. Andererseits gibt es die alten, auf Papier gesammelten Zeitungsausschnitte von 1850-2012, von denen 600'000 bereits retrodigitalisiert sind.

Das Portal befindet sich noch in der Beta-Phase; aktuell haben die Angehörigen der Uni Basel Zugriff und Kunden vor Ort im Lesesaal. Es ist geplant, dass BenutzerInnen aus Bildung und Forschung bald auch von ihrem Arbeitsplatz aus zugreifen können.

Forschungsprojekt zur Basler Stadtgeschichte

Aktuell läuft das grosse Forschungs- und Vermittlungsprojekt einer neuen Basler Stadtgeschichte. Die lokale Wirtschaftsgeschichte mit ihren Verflechtungen in die ganze Welt ist dabei eines der zentralen Themen.

Martin Lengwiler, Professor am Departement Geschichte der Uni Basel und Mitarbeiter beim Stadtgeschichte-Projekt, erläuterte die Chancen und Risiken von Zeitungsausschnitten anhand zweier Beispiele aus seinen aktuellen Forschungen.

Finanzplatz Basel und UBS-Fusion

Basel war bis in die 1990er Jahre ein bedeutender Finanzplatz. Einige Überlegungen dazu präsentierte Lengwiler am Beispiel der Fusion der beiden Grossbanken Bankverein und Bankgesellschaft zur UBS im Jahr 1997. Diese Fusion wurde von den Printmedien intensiv begleitet.

Im SWA gibt es kuratierte Sammlungen zu den beteiligten Instituten, zu den beteiligten Personen, aber thematische Sammlungen etwa zum Thema "Grossbank". Über die geheimen Vorgespräche, so Lengwiler, geben die Zeitungsartikel natürlich keine Auskunft - hier führt kein Weg an Protokollen und internen Unterlagen in den Bankarchiven vorbei.

Dagegen machen die Zeitungsartikel in Lengwilers Worten "qualifizierte und plausibilisierte Aussagen" zu den Vorgängen, da die JournalistInnen sich schon intensiv Gedanken gemacht haben, z.B. zu den Gründen und Machtverhältnissen der Bankenfusion SBV-SBG zur UBS. Auf diesen Überlegungen können Forschende aufbauen.

Zudem erlaubt die Recherche im Portal auch neuartige Zugänge - dass Marcel Ospel vom Bankverein in mehr Zeitungsartikeln vorkommt als sein Gegenüber Mathis Cabiallavetta von der Bankgesellschaft unterstreicht die These, dass der Bankverein und auch Basel zumindest in der ersten Phase nach der Fusion die Oberhand hatten.

Vernetzungsgeschichten

Die weltweite Vernetzung der hiesigen Wirtschaft ist ein wichtiges Thema im Stadtgeeschichte-Projekt. In diesem Kontext erläuterte Lengwiler, dass viele historische Sachverhalte nur in Zeitungsartikeln dargestellt sind - Archivquellen gibt es längst nicht zu jeder Person, jeder Firma oder jedem Thema.

Als Beispiel für eine unerwartete Vernetzungs-Geschichte erwähnte Lengwiler den Zürcher Kaufmann Fritz von Schulthess, der nicht nur über seine Firma Desco, sondern auch familiär im In- und Ausland viele Leute kannte. Über Umwege ergab sich in den 1950er Jahren sogar eine Beziehung zum König des Himalayastaats Bhutan.

Martin Lengwiler resümierte, die Zeitungsausschnitte seien viel mehr als eine zeitgeschichtliche und wirtschaftshistorische Quellensammlung, sondern im breiteren Sinne auch ein Fundus für soziale und wirtschaftspolitische Themen.